Guten Tag, lieber Besucher!
Schön, daß Du da bist und mehr wissen willst von mir und über mich und wie es so war, früher hier im Dorfe.

Ich bin die Milchbank.
Ich stehe hier, ich kann gar nichts anderes.

Eigentlich sehe ich aus wie ein Tisch. Aber mein Name entstand, als meine Vorgänger noch aus Holz gebaut und niedriger waren, weil auch die Wagen, mit denen die Kannen zur Molkerei nach Gudensberg gefahren wurden, kleiner waren.

Nachmittags, wenn keine Kannen mehr auf mir standen, saßen die Kinder und Jugendlichen auf mir, spielten miteinander oder rauften auch manchmal.

Daß es noch 15 andere, kleinere und größere Milchbänke im Dorf gab, steht ja schon auf meinem Schild.

Etwa 1960 wurde ich aus Stahl zusammengeschweißt, wahrscheinlich von Adolf Großbernd aus Grifte, der dem Schmied Reinhold Schäfer bei allen Metallarbeiten half.

Zusätzlich ist zu erzählen:

In den Sechzigerjahren gab es in Kirchberg bis zu 56 Milchlieferanten, seit etwa 2000 gar keine mehr. Hof Itter („Krugs“), Berggarten 4, hält noch (2017) eine Kuh für den Milch-Eigenbedarf.

Die Milch wurde vormittags im Dorf eingesammelt. Der Fuhrunternehmer und Kohlenhändler Heinrich Iber (Emstalstraße 49) mit seinen Helfern, zuletzt Heinrich Jungermann (Mühlenweg 8), fuhr die Milchbänke an, auf denen die Bauern die Kannen zurechtzustellen hatten. Es gab bis zu 16 solcher Bänke, die ziemlich genau die Höhe des Fahrzeuges hatten, damit die Kannen von 10 bzw. 20 Liter Inhalt leicht und schnell vom Helfer herübergeschleift werden konnten auf den LKW.

Diese Milchbänke waren aufgestellt an den Schwerpunkten der Milcherzeugung, damit alle Wege möglichst kurz waren:
Bei Grunewalds Aussiedlerhof Emstalstraße 73,
bei Sälzersch, Emstalstraße 69,
bei Stiefken, Emstalstraße 47,
bei Stoffels, Rieder Straße 4 (dort waren die Konsolen bis zum neuen Verputz – etwa 2005 – noch erkennbar),
bei der Ziegelei, Rieder Straße 19,
bei Opfermann, Riederstaße 23,
bei Herink, Rieder Straße 20,
bei Bauer, Emstalstraße 20,
bei Bachmann, Mühlenweg 2,
bei Spengler, Obermühle, Mühlenweg 16 (etwa 200 Liter Milch täglich),
bei Schäfer am Küppel, Emstalstraße 12,
bei Minkels, Emstalstraße 19 (etwa 180 Liter Milch täglich),
bei Greben, Emstalstraße 1,
beim Friedhof für den Aussiedlerhof Keßler,
bei Simmen, Blankenweg 4,
bei Theis, Gutshof 7.

Die Kannen wurden auf dem hölzernen Ladeboden dicht an dicht gestellt, 8 Kannen nebeneinander, etwa 15 Kannen hintereinander.
In den milchreichen Sommermonaten kam noch ein Gestell darüber, so daß in zweiter Lage nochmals geladen werden konnte: bis zu 180 Kannen (davon einige 10-Liter Kannen), bis zu 3 000 Liter Milch.

Die meiste Milch gab es im Mai und Juni, weil dann fast allen Kühen die Kälber weggenommen werden konnten und außerdem das Futter ausreichend zur Verfügung stand.

In Gleichen wurde noch ein Hänger angekuppelt und nochmals fast die gleiche Menge Milch geladen. So ging's mit der Milch etwa 20 Jahre lang zur Molkerei in die Freiheit nach Gudensberg, wo die Anlieferung zeitlich gestaffelt vereinbart war. Wenn mal einer zu früh kam oder der andere sich verspätete, gab es auch mal ungute Worte. Es war wichtig, daß die Kannen in der Molkerei wieder dem richtigen Lieferanten zugeordnet wurden, denn jeder Bauer hatte eigene Kannen und wollte die selbstverständlich wieder zurückbekommen. Die Kannen trugen Nummern und waren jedem Bauern zugeordnet. In der Molkerei wurde die jeweilige Milchmenge gemessen und den Lieferanten gutgeschrieben. Abgerechnet wurde allmonatlich, ausgezahlt wurde in Kirchberg an der Raiffeisenkasse. Dies war so gut wie das einzige Bargeld, das die Bauern in die Hand bekamen.

Allerdings bekamen die Bauern auch Rücklieferungen: das auf ihre Vollmilchlieferung entfallende Quantum an Buttermilch, Magermilch und Molke für Verzehr und Viehfütterung wurde in die entleerten Kannen gefüllt und auf die Milchbänke zurücktransportiert. Das Reinigen der Kannen für die neue Vollmilch hatte bei den Bauern auf den Höfen zu erfolgen.

Manchmal kam eine Kanne zurück mit einem unter dem Deckel eingeklemmten roten Zettel. Das sah der Milchlieferant nicht gerne, denn das hieß, daß seine Milch schon gesäuert hatte und darum in der Molkerei nicht abgenommen worden war, daß sie also auch nicht bezahlt wurde.

Die Bauern konnten auch Butter, Quark, Sahne und Käse bestellen. Dazu klemmten sie ein Zettelchen unter den Kannendeckel. Solche Ware wurde entweder auf den Kannendeckeln angeliefert oder aber bei der Auslieferungszentrale, nämlich bei „Tante Martchen“ Pfaar (Schlachterei Pfaar, an der Ems 1) ausgegeben. Diese Lieferungen wurden in der Molkerei Zug um Zug verrechnet. Für freien Verkauf kam selbstverständlich auch die übliche Ware zu Martchen Pfaar. Die Endabnehmer kamen mit Kännchen und Schüsselchen, nur die Butter war schon in 250-Gramm-Päckchen verpackt, wie wir das auch heute noch kennen.

Als auch die Gudensberger Molkerei geschlossen wurde, mußte die Milchwirtschaft umgestellt werden: Es wurden größere Milchkannen eingeführt, die nur alle zwei Tage von einem Kühltankwagen der Bad Wildunger Molkerei abgesaugt wurden. Die Milch mußte also gekühlt werden, was meistens durch kühles Wasser geschah, welches durch die Rohre eines „Tauchkühler-Deckels“ floß. Für die großen Gefäße und die Kühlung waren auf den Höfen größere Umbauten erforderlich, was sich nicht jeder Kleinstbauer leisten konnte oder wollte, so daß die Milchmenge verringert wurde. Der Kannentransport der Milch erstarb, die Milchbänke wurden überflüssig und verschwanden nach und nach aus der Dorfmöblierung.

Markwart Lindenthal 2017-01-31

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